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Die Entwicklung von Dragonflight begann
im Jahre 1987. Genauer gesagt: im Januar 1987, in einem italienischen
Restaurant. Erik Simon und Udo Fischer feierten dort die Geburt ihres
Rollenspiels. Dragonflight sollte ihr erstes Spiel für den Atari ST
werden. Zum damaligen Zeitpunkt ahnte natürlich keiner, was sie sich
damit aufhalsten. Es wurde ein ungefährer Erscheinungstermin
veranschlagt. Am 15. September 1988 sollte Dragonflight gemastert, d.h.
ein kopierfähiges Original erstellt werden. Während der Programmierung
merkten die beiden allerdings, daß man nicht mal eben so ein Rollenspiel
erstellen konnte. So wurde der Mastertermin letztendlich
noch insgesamt fünfmal (!) verschoben. Nun endlich, drei Jahre nach
der Pizza beim Italiener, ist Dragonflight fertiggestellt ! Bis zum heutigen Tag ist selbstverständlich jede Menge passiert: Aus den anfänglich zwei Leuten (ein Programmierer, ein Grafiker) sind nun sechs Personen geworden, die folgende Aufgabe übernahmen: Erik Simon (Grafik, Konzept, Story), Udo Fischer (Programmcode), Michael Raasch (Programmcode), Gunther Bitz (Programmcode), Jochen Hippel (langhaariger Soundprogrammierer mit viel Hunger). Dragonflight ist das - meines Wissens - erste Rollenspiel, das - sowohl auf dem Screen als auch in der Story und dem Manual - dreisprachig (deutsch, englisch, französisch) gehalten ist. Dragonflight wird - in der ST-Version - auf zwei doppelseitigen Disks zusammen mit der über 100seitigen Anleitung (Farbabbildungen von Celal Kandemiroglu) ausgeliefert. Den Besitzern einer einseitigen Floppy wird die Möglichkeit geboten, eine einseitige Version nachzubestellen: Die Kosten hierfür werden ungefähr fünf Mark betragen. Betrachten wir uns Dragonflight aber einmal etwas genauer. Ein sehr wichtiger Bestandteil eines Rollenspiels ist die Story, auf der das Ganze basiert: Sie muß interessant, zusammenhängend und nicht zu trocken sein. Richard Karsmakers (der fleißige Schreiber derselben und LYNX-Fanatiker) hat es mit seiner umfangreichen Einführungsgeschichte hervorragend verstanden, den Spieler (Leser) in seinen Bann zu ziehen. Im ersten Kapitel wird der Spieler mit den vier Hauptdarstellern vertraut gemacht: Bladus - der breitschultrige, gutaussehende Warrior. Rinakles Savorlin-son - ein weiser Magier. Dobranur - der bärtige Zwerg mit recht wenig Haaren auf dem Kopf; und schließlich die schöne Elbin Andariel. Dies sind die Mitglieder der Party, die durch das Spielgeschehen gesteuert wird. Die restlichen zwölf Kapitel des Handbuchs befassen sich mit der Story von Dragonflight, die ich hier nur kurz anreißen möchte. Bladus, Rinakles, Dobranur und Andariel, alles Schüler des weisen Zwerges Dambrano, die - da ohne Elternhaus - bei ihm aufgewachsen sind, bekamen von Dambrano eine Geschichte erzählt, in der es hauptsächlich um Drachen ging. Diese Drachen waren - entgegen allen Gerüchten - sehr friedliche und vor allem intelligente Tiere, die von Guam, dem Drachenoberhaupt, regiert wurden. Guam war ein gewaltiger Drache, der die Magie beherrschte wie kein anderer. Seine Zaubersprüche verhinderten viele Unglücke (Erdbeben, Vulkanausbrüche etc.). Guam wohnte im Drachental auf der Insel Walronia. Aus allen möglichen Gebieten seines Reichs kamen Lebewesen (nicht nur Drachen), die ihn um Rat befragten und seine Hilfe in Anspruch nahmen. Das Reich Guams war von unvorstellbarer Schönheit, und alle lebten dort glücklich und zufrieden. Guam wurde eines Tages von einem anderen Drachen getötet, der zusammen mit einer Drachendame lange Zeit nur Böses zustandebrachte. Die Welt wurde langsam zur Einöde. Als diese beiden Herrscher glücklicherweise das Zeitliche segnete, blühte alles wieder regelrecht auf. Leider wurden die Lebewesen nie wieder so glücklich wie zuvor und hörten immer weniger auf den weisen Rat der Drachen. Die Magie teilte sich auf in weiße und schwarze Magie (gut und böse), Kriege brachen aus, und plötzlich waren alle Drachen verschwunden. Die Aufgabe des Spielers liegt nicht etwa darin, wie von anderen Rollenspielen bekannt, irgendwelche Schätze zu finden oder dergleichen mehr. Vielmehr muß versucht werden, Magie zu finden und das Volk darin zu unterrichten; denn als der Krieg ausbrach, wollte niemand mehr mit Magie zu tun haben. Der Spieler muß sich auf die Suche nach den magischen Schulen begeben und alle Schriften zusammentragen, die das Wissen der alten Weisen enthalten. Die zweite Aufgabe besteht darin herauszubekommen, was mit den Drachen geschehen ist; ob sie womöglich getötet wurden oder einfach nur verschwunden sind ? Dieses festzustellen ist die Aufgabe des Spielers. Zuallererst jedoch muß eine Weltkarte (zur besseren Orientierung) zusammengestellt werden, deren erster Teil von Anfang an im Besitz eines Members der Party ist. Die Welt von Dragonflight besteht aus zwei wesentlichen Bestandteilen: der Oberwelt (zu vergleichen mit Ultima), in der es jede Menge große und kleine Städte sowie Dörfer, Wüsten und dergleichen mehr gibt, und den dreizehn Dungeons, mit über hundert verschiedenen Levels. Der gesamte Umfang der Map (also der Oberwelt) umfaßt 669 mal 450 Felder, bestehend aus acht mal acht Pixel großen Grafikblöcken, in der sich die Party in "Achter-Schritten" fortbewegt. Zum Vergleich: Die Map von Ultima IV besitzt eine Größe von 256 mal 256 Feldern, bestehend aus 16er-Blöcken, in der sich die Party in 16er-Schritten bewegt. In den einzelnen Städten erhält man viele Informationen von Leuten, die herumstehen oder gerade am Arbeiten (Gärtner usw.) sind. Weiterhin kann man aber auch an jede Tür klopfen und die Bewohner der Häuser befragen, und ihnen etwas anbieten, damit Informationen rausgerückt werden. Die Geschäfte, in denen Fackeln (für Dungeons), Lebensmittel, Waffen etc. erworben werden können, sind an einem roten Schild erkennbar, das über der Eingangstür hängt. Man sollte aber nicht alle benötigten Gegenstände beim erstbesten Händler kaufen, in den Randgebieten der Städte gibt´s oft günstigere Angebote... Der Spieler wird während des Spiels immer vertrauter mit der Umgebung und erfährt immer mehr über die Aufgaben, die es zu erledigen gilt. In den meisten größeren Städten müssen zusätzlich Aufgaben (Unter-Quests) erfüllt werden. Eine dieser UQs besteht darin, einen Friedensvertrag mit einem Orkhäuptling zu erstellen. Doch wir wollen ja nicht zuviel verraten, gelle ? Selbstverständlich kann die Party nicht ganz ungehindert ihrer Aufgabe nachgehen. Feinde sind en masse enthalten. Eine große Anzahl von Gegnern versucht die Party am Erfüllen des Spielzieles zu hindern. Da wären wir auch schon bei einer weiteren Besonderheit von Dragonflight: Alle bisher erschienenen RPGs stellten die Kampfsequenzen eher spärlich dar; es wurde meist nur eine Abbildung des Gegners und mittels Textangabe der restliche Teil angezeigt. Im Kampfbildschirm von Dragonflight werden alle Gegner samt ihren Waffen animiert dargestellt: Man kann jede einzelne Bewegung genauestens verfolgen. Dies hat mich persönlich bei den meisten Rollenspielen gestört, denn im grafischen Bereich wurde bisher zu wenig getan. Dragonflight bietet da mehr ! Die gesamte grafische Präsentation ist sehr ausgefeilt und bietet viel für das "actionverwöhnte" Auge. Alle Zusatzaufgaben werden (nach Erfüllung der Aufgabe) mit einer animierten Sequenz belohnt, die einiges aus dem ST herausholt. Überhaupt wurden allerlei technische Tricks eingesetzt: Das komplette Spiel ist in 32 Farben gehalten: Die Zwischensequenzen bieten bis zu 512 Farben ! Für das leibliche Wohl der Ohren sorgte Soundmagician Jochen Hippel - satte 25 Kompositionen untermalen das Spielgeschehen. Und: Es fließt erfreulicherweise kein Blut ! Dragonflight ist mit Sicherheit eines des umfangreichsten Rollenspiele überhaupt und kann sich durchaus mit den Ultimas messen. Es bietet nämlich neben der Oberwelt noch eine komplette Dungeon-Welt, die es bei Ultima in der Form nicht gab. Kein Wunder, daß das Programmierteam drei Jahre für die Erstellung dieses RPGs benötigte: Herausgekommen ist ein Rollenspiel, das nicht nur für die absoluten Freaks dieses Genres interessant sein dürfte, auch Anfänger kommen sofort mit Dragonflight klar. Vom Konzept über die Story bis hin zur Steuerung wurde alles genauestens ausgearbeitet. Die Amiga-Version wird der ST-Fassung mindestens ebenbürtig sein, der Sound wird natürlich kräftig aufpoliert. Für die PC-Version hat sich THALION etwas ganz Besonderes ausgedacht: Eine spezielle Grafikroutine, die es ermöglicht, auf einem PC mit EGA-Karte über 120 Farben darzustellen, die in den Zwischensequenzen bewundert werden können. Die PC-Version wird voraussichtlich Mitte dieses Jahres erscheinen und neben EGA und VGA auch Soundkarten unterstützen ! Dragonflight ist übrigens das erste RPG, für das ich mich geopfert habe, und das will schon was heißen ! Nicht umsonst habe ich sogar mein geliebtes Atomix und Cyber Core für THALIONs erstes Rollenspiel sausen lassen. Dragonflight muß man einfach gesehen haben, um den Wert dieses Programms zu erkennen. Torsten Oppermann |